"Es kommt darauf an!" – Der meistgehasste Satz meiner Schüler
Ich sehe förmlich, wie meine Schüler die Augen verdrehen, wenn sie diese Überschrift lesen. Warum? Weil sie diesen Satz in meinen Kursen und im Unterricht unzählige Male gehört haben – und das zu
Recht!
Heute möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen, die perfekt zeigt, warum Pferdetraining so viel Fingerspitzengefühl verlangt und weshalb Flexibilität der Schlüssel ist.
Als wir Arde noch frisch bei uns hatten, gingen wir oft mit ihr spazieren. Anfangs lief sie wunderbar neben mir , meine winzig kleinen Signale die ich am Seil hin und wieder gab, ließ mich mit
ihr im Dialog sein und ihre Aufmerksamkeit erhalten, die Signale waren so klein, dass sie niemand sehen konnte, Arde aber sehr wohl wahrnahm- dann übernahm mein Partner die Führung ...
Er hatte nicht bemerkt, dass ich die ganze Zeit im ständigen, feinen Dialog mit Arde stand. Kaum hielt er das Seil, begann Arde, ihn zu überholen. Mein Ratschlag: „Beweg das Seil sanft, um ihre
Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Doch leider war es wohl nicht das richtige Maß oder die passende Intension die er als Gefühl ins Seil gab – Arde wurde unruhig und wollte zurück zur Herde. Ich
übernahm wieder nachdem ihre Aufmerksamkeit bereits auf dem Weg zurück zur Herde war, musste ich diesmal deutlichere Signale setzen, um sie in ihren Gedanken zu erreichen und ihre Aufmerksamkeit
wieder zu uns zurückzuholen.
Sein verwirrter Blick: „Du sagst sanft – aber du machst mal stark, mal gar nichts. Wo ist da die Logik?“
Die Antwort ist einfach: Es kommt darauf an.
Ist das Pferd aufmerksam?
Wie hoch ist der
Adrenalinspiegel?
Ist es besorgt oder in Gedanken
abwesend?
Genau hier liegt die Herausforderung im Pferdetraining: Jede Situation, jedes Pferd, jeder Moment ist einzigartig. Was gestern funktioniert hat, kann heute scheitern. Was ein einem Moment genau
richtig ist, kann in der nächsten Sekunde bereits viel zu viel oder aber auch viel zu wenig sein. In Arde´s Fall habe ich vom ersten Schritt an, als wir uns auf dem Weg gemacht haben, kleine
Impulse gesetzt um interessant zu sein für sie, ich bin mal ein mü schneller mal ein wenig langsamer gelaufen, habe sie mal gebeten ihren Kopf abzusenken, mal zur Seite zu bewegen. Diese kleinen
Fragen, konnte mein Partner nicht mal sehen, aber Arde wahrnehmen. Also blieb sie mit mir im Dialog verbunden. Sobald er aber übernahm, und einfach das Seil hielt, verstummte der Dialog und Arde
machte sich geistig auf den Weg zurück zur Herde. In ihrer geistigen Abwesenheit, konnte sie nun die winzigen Signale nicht wahrnehmen, oder der Gedanke zur Herde war ihr jetzt wichtiger, weshalb
ich kurz etwas größer werden musste um ihre Präsenz wieder bei mir zu haben, um dann wieder sehr klein bleiben zu können. Es kommt halt einfach darauf an, wenn es darum geht, wann bewegt man das
Seil wie stark?
Warum "es kommt darauf an" so
wichtig ist:
Pferdetraining ist kein 08/15-Rezept. Es erfordert Flexibilität, Beobachtungsgabe und ein Gespür für die kleinen Signale. Wer in der Lage ist, aus der Sicht des Pferdes zu denken, erkennt oft
selbst, wo das Problem liegt – und findet die Lösung.
Mein Rat an euch:
Bleibt offen im Denken, genießt den Dialog mit euren Pferden und handelt stets im Sinne eures Tieres.
Eure
Simone Carlson
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