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Ganzheitlichkeit in der Sattelberatung.

Die Bedeutung der Ganzheitlichkeit in der Sattelberatung
Immer wieder werde ich zu Sattelberatungen gerufen, von Menschen, die mich nicht als Pferdetrainerin kennen. Hier steht die Passform des Sattels im Vordergrund. Doch oft wird schnell klar: Eine gute Sattelpassform kann nur auf einem gesunden, gut bemuskelten und korrekt gymnastizierten Pferd erreicht werden. Damit bin ich automatisch wieder in meiner Trainerrolle. Denn: Ein Sattel kann nur dann optimal aufliegen, wenn der Rücken des Pferdes tragefähig ist.
Die Grundlage für eine gute Sattelpassform ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die Zusammenhänge zwischen physischem Zustand, Haltung und Training des Pferdes sowie dem Einfluss des Reiters berücksichtigt. Dieses Prinzip ähnelt unserem menschlichen Körper: Ein Problem mit den Schuhen kann etwa weitreichende Folgen wie Kopfschmerzen haben – der gesamte Körper ist miteinander verbunden. Ebenso hängt beim Pferd alles zusammen.
Wichtige Faktoren für die Sattelpassform
Hufstellung
Die Hufstellung beeinflusst über Sehnen und Bänder direkt die Rückenmuskulatur. Ob ein Huf zu steil oder zu flach steht, Fehlstellungen haben erheblichen Einfluss auf die Tragefähigkeit des gesamten Körpers.
Bemuskelung
• Vorhandlastigkeit: Ein Pferd, das stark auf der Vorhand läuft und die Hinterhand nicht korrekt einsetzt, wird seinen Rücken nicht effizient nutzen können. Die Folge ist oft die Entwicklung eines Senkrückens.
• Rückenverspannungen: Ein steifer Rücken beeinträchtigt die Beweglichkeit des gesamten Pferdes und behindert den Aufbau einer gesunden Tragemuskulatur.
• Brustbein und Halsmuskulatur: Ein abgesunkenes Brustbein und eine unterentwickelte Halsmuskulatur sind weitere Indikatoren für Probleme im Rückenbereich.
Ernährungszustand
• Übergewicht: Ein übergewichtiges Pferd hat bereits durch sein Eigengewicht Schwierigkeiten, sich gesund zu tragen. Die Schwerkraft verstärkt diese Problematik, was zu einem durchhängenden Bauch und einem beeinträchtigten Rücken führt.
• Untergewicht: Ein untergewichtiges Pferd leidet oft an einem Mangel an Mineralstoffen, was den Muskelaufbau erschwert und die allgemeine Tragefähigkeit beeinträchtigt.
Der mentale Zustand des Pferdes
• Stellt das Pferd noch Fragen und ist neugierig, oder läuft es resigniert neben seiner Besitzerin her?
• Ist es in Sorge und nervös, oder entspannt und aufmerksam?
• Geht es den Weg des geringsten Widerstands, oder ist es bemüht, im Dialog mit seinem Menschen zu sein?
• Ist es wach und präsent, oder eher träge und phlegmatisch?
Ein träges, phlegmatisches Pferd wird sich selten kraftvoll und elegant tragen können. Ebenso wenig wird ein nervöses Pferd locker schwingen und Muskulatur korrekt einsetzen.
Der Einfluss des Reiters
Die Rolle des Reiters ist ebenfalls entscheidend für die Sattelpassform:
• Körperliche Eigenschaften des Reiters: Ein übergewichtiger oder sehr großer Reiter kann das Pferd stark belasten und dessen Tragefähigkeit beeinträchtigen.
• Reitstil: Ein unausbalancierter oder ineffektiver Reitstil erschwert es dem Pferd, gesund und korrekt zu laufen, unabhängig vom Körpergewicht des Reiters.
Kriterien für eine gute Sattelpassform
Die Passform eines Sattels sollte folgende Aspekte berücksichtigen:
• Schwerpunkt: Der Schwerpunkt des Sattels muss in der Balance liegen, sodass das Pferd das Gewicht bestmöglich über seinem Schwerpunkt tragen kann.
• Wirbelsäulenfreiheit: Der Sattel darf keinen Druck auf die Dornfortsätze der Wirbelsäule ausüben und muss eine ausreichende Kanalbreite bieten. Damit er auf dem großen Rückenmuskel zum liegen kommt und nicht auf der Wirbelsäule.
• Schulterfreiheit: Die Schulter des Pferdes benötigt Bewegungsfreiheit, um ungehindert arbeiten zu können.
• Schwung: Der Schwung des Sattels sollte der natürlichen Rückenlinie des Pferdes entsprechen.
• Ellbogenfreiheit: Die Gurtung des Sattels darf nicht in den Ellbogenbereich des Pferdes eingreifen.
• Gurtungssystem: Die Gurtung muss so angebracht sein, dass der Sattel stabil und ruhig auf dem Rücken zum liegen kommt, ohne die Bewegungsfreiheit des Pferdes einzuschränken.
Auch für den Reiter muss der Sattel passen. Wesentliche Kriterien hierbei sind:
• Sitzgröße: Die Sitzfläche des Sattels muss der Körpergröße des Reiters entsprechen.
• Schwerpunkt: Der Sitzschwerpunkt sollte den Reiter in eine ausbalancierte Position bringen.
• Steigbügelaufhängung: Diese sollte so angebracht sein, dass sie einen ausbalancierten Sitz unterstützt.
• Sitzform: Eine ausbalancierte Sitzform hilft, den Reiter in einer optimalen Position zu halten. Und das Pferd so wenig wie möglich zu stören.
Ich bevorzuge Sättel, die einen ausbalancierten Sitz ermöglichen, und empfehle keine Modelle, die den Reiter in einen Stuhlsitz zwingen. Ein unausbalancierter Sitz des Reiters wirkt sich direkt und sehr negativ auf den Bewegungsapparat des Pferdes aus.
Mein Ansatz in der Sattelberatung
Bei einer Sattelberatung betrachte ich zuerst den Körperbau und den allgemeinen Zustand des Pferdes. Oft zeigt der Zustand des Pferdes, ob Fehler im Training oder Umgang vorliegen. Mein Fokus liegt dabei nicht auf der Methode, die der Besitzer nennt, sondern auf dem Ergebnis, das sich am Pferd zeigt.
Ein besonders prägender Moment meiner Ausbildung war eine Lehre bei einem erfahrenen Sattlermeister in Amerika. Er gab mir einen Rat, der bis heute ein zentraler Grundsatz meiner Arbeit ist: „Wenn Du auf Menschen triffst, die nicht bereit sind, an ihrem Reitstil oder dem Umgang mit ihrem Pferd zu arbeiten, dann lohnt es sich nicht, ihnen einen Sattel zu verkaufen. Es wird einfach nicht funktionieren.“ Diese Philosophie verfolge ich konsequent, auch wenn das bedeutet, eine Beratung ohne Sattelkauf abzuschließen. Und damit bin ich immer gut gefahren!
Fazit
Gute Sattelpassform ist kein Hexenwerk, sondern ein Handwerk. Entscheidend sind jedoch die Voraussetzungen: ein gesundes, korrekt trainiertes Pferd und ein Reiter, der bereit ist, sich weiterzuentwickeln. Nur so kann eine langfristige Lösung gefunden werden, die sowohl dem Pferd als auch dem Reiter zugutekommt.
Es ist immer eine Freude, mit Pferd-Mensch-Paaren zu arbeiten, die sich für eine ganzheitliche Betrachtung begeistern können. Diese Partnerschaften führen nicht nur zu gesünderen Pferden, sondern oft auch zu langfristigen freundschaftlichen Beziehungen.
In diesem Sinne und im Sinne des Pferdes,
Eure Simone Carlson

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