In meinen Kursen treffe ich immer wieder auf Teilnehmer die mir erzählen, ihr Pferd würde perfekt funktionieren. Wobei das Wort „Funktionieren“, in diesem Fall erstmal als etwas Positives
verstanden wird. Wer möchte das nicht? Ein Pferd das funktioniert, mit dem man nicht permanent diskutieren muss. Das macht, was man von ihm erwartet. Und sei es nur stupides um mich
herumlaufen wenn ich in der Mitte still stehe? Für uns Menschen ist das erstmal ein Gefühl von Sicherheit, oder auch
eine Form von Macht? Dies möchten wir aber nicht zugeben, das wirft einen hässlichen Eindruck auf uns! Ach ja und dann ist da ja auch noch unser Harmoniebedürfnis, dass es unbedingt zu
erfüllen gilt. Ein funktionierendes Pferd bietet wenig Raum für Reibung und Konflikt.
Sehr häufig sehe ich Pferd Mensch Paare die auf Grund vieler Jahre gemeinsamen Arbeitens sehr eingespielt sind. Das Pferd weiß was kommt, kann seinen Menschen perfekt einschätzen und lesen,
wendet oder stoppt wie von Geisterhand. Läuft los, noch bevor sein Besitzer darum bittet. Auf den ersten Anschein wirkt das sehr beeindruckend … für den Menschen. Dabei fällt mir ein: wer
kennt heutzutage noch den Unterschied zwischen einem leichten und einem weichen Pferd?
Mit einem geschulten Auge erkennt man dann allerdings eine träge Schrittfolge, müde Pferdeaugen, die kippende innere Schulter, verzögerte Übergänge, das Pferd läuft ohne darin einen Grund zu
sehen. Selbst ein Laie erkennt den Unterschied, ob ein Pferd einfach so vor sich hinläuft, ohne Ziel, oder ob es auf etwas zu läuft, z.B. das geöffnete Weide Tor.
Auch wenn das alles Symptome sind, die dann früher oder später (leider meistens später, weil eben viel zu spät erkannt, was wieder auf Kosten der Pferde geht!) versucht werden zu korrigieren
– sofern man sie erkennt-, zumindest körperlich, so sind es Anzeichen, dass in der Kommunikation zwischen Pferd und Mensch einiges nicht stimmt. Das Pferd hat gelernt unsere Muster zu lesen,
gähnt (unsichtbar) während es die Wendung zum siebenundachtzigsten (vielleicht etwas übertrieben?) Mal wiederholt. Es hat schon lange aufgehört etwas Neues zu erwarten, oder neugierig zu
sein, denn genau wie es selbst stecken auch wir viel zu oft in festen Bewegungsmustern. Und wenn wir uns doch einmal heraus trauen, sehen wir, dass das Pferd eben mal nicht funktioniert, weil
es vielleicht überrascht ist über unsere neuen „Moves“, dies bestätigt ganz schnell lieber wieder am alten festzuhalten.
Eine Routine bietet Sicherheit, ist leicht umzusetzen, verhindert Verwirrung, warum also damit aufhören?
Weil Routine die Möglichkeit bietet geistig abzuschalten.
Weil Routine keine Flexibilität zulässt.
Weil Routine langweilig ist.
Weil Routine keine Kreativität zulässt.
Weil Routine abstumpft.
Ja, in diesem Fall ist zuerst mal der Mensch gefordert. Raus aus seinen Mustern und rein in die Kommunikation mit dem Pferd.
Tatsächlich erinnere ich eine Situation in der ich einer Kursteilnehmerin half mehr Abwechslung in ihre Pferdearbeit zu bringen, indem ich ihr alle 4-6 Schritte eine Veränderung vorschlug.
Innerhalb kürzester Zeit erwachte Ihr Pferd aus dem Dornröschenschlaf und bekam wieder Interesse, obwohl die Besitzerin sich nun an einem wacheren Pferd erfreute, gab sie zu, dass diese
permanente Abwechslung zu viel für sie selbst sei.
Es liegt an uns, es ist in unserer Verantwortung den Pferden ein interessantes Gespräch zu bieten, im Dialog zu bleiben. Für mich hat das etwas mit Respekt dem Pferd gegenüber zu tun. Wenn
ich vom Pferd erwarte mit mir auf einem Viereck zu arbeiten, (das alleine ist für ein Pferd übrigens komplett Sinn befreit!) dann ist es meine Pflicht dies für das Pferd interessant und
sinnvoll zu gestalten. Für mich bedeutet das, in einen lebhaften Dialog zu gehen, Fragen zu stellen, Antworten zu bekommen. Die Pferde kommunizieren permanent mit uns, oft für viele nicht
erkennbar. Es ist ein Hochziehen der Nüster, eine winzige Veränderung am Ohr, ein Blinzeln, eine Veränderung im Muskeltonus, eine Beschleunigung oder Verlangsamung im Gang, die Höhe wie sie
ihren Kopf tragen, oder auch ein weich/fest werden in der Hand, all das ist Kommunikation! Auf wieviel davon reagieren wir? Was davon nehmen wir wahr? Selbst wenn wir nicht alles wahrnehmen,
uns aber bemühen, hinschauen (zuhören) und reagieren, werden die Pferde wacher, die Bewegung wird aktiver und lebendiger.
Um ein Beispiel zu geben, damit Du Dir besser vorstellen kannst, was ich meine empfehle ich, dass Du Dir mal ein Video ansiehst, in dem ein Pferd gezeigt wird das um einen Menschen
herumlaufen soll (circeling) der absolut regungslos dasteht. Begründet wird diese Trainingseinheit häufig damit, dass das Pferd eigenverantwortlich laufen soll, ohne dass man ständig Hilfen
geben muss. Schalte nun den Ton aus, und beobachte das Pferd. Frage Dich, ob das Pferd lebhaft, stolz, wach, voranschreitet oder ob es eher so aussieht, dass es keinen Sinn in dieser Aufgabe
sieht und max. 60 % seines Energiehaushalts einsetzt.
Ein Pferd das den Befehl erhält um uns herum zu laufen, ohne weitere Anleitung, schaltet spätestens nach dem 2. Schritt geistig ab. Der Gang ist dann schlurfend, wirkt sogar leblos. Die
Kommunikation stagniert. Das Pferd soll also so lange im selben Tempo laufen bis der Mensch etwas anderes vorgibt. Sobald das Pferd eine Veränderung vorschlägt, wird es sofort wieder an den
alten Befehl erinnert. Es lernt also, keine Vorschläge mehr zu machen, keine Fragen mehr zu stellen. Es wird nicht lange dauern bis das Pferd im absoluten Energiesparmodus verfällt, geistig
abschaltet und nur noch vor sich hin läuft.
Wenn wir es aber schaffen Fragen zu stellen, die abwechslungsreich und kreativ sind, bleiben die Pferde aufmerksam, hören zu und antworten uns mit der Art und Weise wie sie unsere Bitten und
Vorschläge durchführen. Je mehr wir aus den alten Bewegungsmustern herauskommen und kreativ werden, umso wacher werden die Pferde und ein waches Pferd denkt mit, ist leicht in der Hand denn
ein Gedanken wiegt nichts. Und wenn ihr es einmal geschafft habt, dass das Pferd in einer Wendung auf Euch zu kommt, Euch direkt in die Augen schaut und neugierig fragt: „und was machen wir
jetzt?“ der möchte nie mehr auf eine andere Art und Weise mit einem Pferd arbeiten.
In diesem Sinne und im Sinne der Pferde
Eure Simone Carlson
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